
- Bild: Nils Bettinger
Haushaltsreden 2025 - Bündnis90/Die Grünen
Rede von Holger Schelte in der Sonderratssitzung vom 06.02.2025
- 07.02.2025 um 17:44
- 491
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Jetzt Newsletter abonnierenDisclaimer: Die folgende Haushaltsrede wurde uns von der jeweiligen Fraktion in ihrer originalen und ungekürzten Fassung zugesandt. Die Inhalte spiegeln die Ansichten des jeweiligen Redners wider.
Die nachfolgende Rede wurde im Rahmen der Sonderratssitzung am 06.02.2025 gehalten. Wir haben allen im Rat vertretenen Fraktionen angeboten, ihre jeweilige Haushaltsrede hier zu veröffentlichen.
Haushaltsrede von Holger Schelte (Bündnis 90/Die Grünen)
Rede der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Haushalt der Stadt Castrop-Rauxel für die Jahre 2025/2026
06.02.2025 / Holger Schelte
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,
wir stecken heute erneut in einer Haushaltsdebatte, die – wie schon in den Vorjahren – unter schwierigen Vorzeichen steht. Der Doppelhaushalt 2025/2026 zeigt eines deutlich: Unsere Stadt befindet sich finanziell weiterhin in einer dramatischen Lage. Ein Defizit von fast 44 Millionen Euro für 2025 und über 45 Millionen Euro für 2026 ist mehr als eine besorgniserregende Zahl – es ist ein klares Alarmsignal dafür, dass die Kommunen systematisch in eine finanzielle Sackgasse gedrängt werden. Der Haushaltsausgleich in Castrop-Rauxel bleibt auf absehbare Zeit unerreichbar, und die dauerhafte vorläufige Haushaltsführung droht zur Normalität zu werden. Wenn sich nicht strukturell etwas verändert, dann steuern wir bis Mitte der 2030er Jahre auf einen eigentlich unvorstellbaren Schuldenstand für eine Stadt in unserer Größe zu.
Doch trotz dieser bedrückenden Rahmenbedingungen dürfen wir eines nicht vergessen: Ein Haushalt ist mehr als ein reines Zahlenwerk. Er ist Ausdruck politischer Prioritäten, ein Instrument, mit dem wir die Zukunft unserer Stadt gestalten – trotz aller Zwänge. Es liegt an uns, Schwerpunkte zu setzen, um sicherzustellen, dass Castrop-Rauxel lebenswert bleibt, dass wir für die kommenden Generationen investieren und dass wir gleichzeitig den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Blick behalten.
Der hier vorliegende Haushalt macht deutlich, was es dazu braucht – er enthält wichtige Maßnahmen, die zur Modernisierung und Verbesserung der Lebensqualität unserer Stadt beitragen.
Dazu zählen aus unserer Sicht natürlich die Themen Umwelt, Klima, Mobilität und Stadtentwicklung. Denn die Klimakrise spitzt sich immer weiter zu – und auch vor Castrop-Rauxel macht sie nicht Halt. Hitzewellen, Überschwemmungen und andere Extremwetterereignisse zeigen unmissverständlich, dass wir keine Zeit für Verzögerungen oder gar Rückschritte haben. Gerade angesichts dieser Herausforderungen müssen wir vor allem handeln.
Große Veränderungen beginnen im Kleinen - hier vor Ort, in unserer Stadt. Dabei ist unsere Vision klar: eine Stadt, in der ökologisches Handeln und sozialer Zusammenhalt untrennbar verbunden sind. Eine Stadt, in der Klimaschutz nicht als Bürde, sondern als Chance für eine lebenswerte, zukunftsfähige Stadt verstanden wird. All das müssen wir trotz finanzieller Engpässe angehen. Wir wollen dafür den Ausbau des Radwegenetzes vorantreiben, nachhaltige Mobilität fördern und Maßnahmen zum klimaneutralen Betrieb öffentlicher Gebäude umsetzen.
Wir setzen auf nachhaltige Investitionen
- In diesem Jahr werden wir als Rat das Gutachten vorgelegt bekommen, das uns unseren Weg zur Klimaneutralität deuten wird. Der Haushalt liefert schon die erste Grundlage für die Umsetzung des Konzeptes. 180.000 Euro für die Umsetzung des Konzeptes sind für die kommenden zwei Jahre eingeplant – das ist ein starker Anfang, auf dem wir aufbauen müssen. Auch wenn das Gutachten noch nicht vorliegt: klar ist, dass in Zukunft mehr Mittel gebraucht werden.
- Ein zentraler Schritt zur Klimaneutralität ist der Ausbau erneuerbarer Energien – und hier muss die Stadt mit gutem Beispiel vorangehen. Mit 126.000 Euro für eine Photovoltaikanlage auf dem Neubau der Frithjof-Nansen-Realschule setzen wir ein klares Zeichen für nachhaltige Energieversorgung. Denn jede selbst produzierte und genutzte Kilowattstunde spart langfristig Kosten und schützt das Klima.
- Ebenfalls Vorbildcharakter müssen wir bei der klimaneutralen Sanierung unserer städtischen Gebäude übernehmen – der Gebäudesektor ist immerhin für ca. 30% der CO2-Emmissionen in Deutschland verantwortlich. 200.000 Euro pro Jahr sind eingeplant,. Doch auch hier müssen wir perspektivisch mehr tun! Energieeffiziente Gebäude sparen langfristig Kosten und leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.
Die Mobilitätswende ist nicht nur ein zentraler Baustein für den Klimaschutz, sondern auch eine Frage von Lebensqualität und sozialer Gerechtigkeit. Mobilität bedeutet Teilhabe, und eine nachhaltige Verkehrspolitik kann dazu beitragen, unsere Stadt klimafreundlicher, lebenswerter und für alle zugänglich zu machen.
- Wir wollen weitere Anstrengungen, die Fahrradstraßen in Castrop-Rauxel auszubauen. Konkret sieht der Haushalt die Planung und Umsetzung neuer Fahrradstraßen zum Beispiel auf der Rieperbergstraße und der Schillerstraße vor – für die weitere Umsetzung des Nahmobilitätskonzeptes sind ebenfalls jährliche Mittel vorgesehen.
- Wir wollen, dass Mobilität in Castrop-Rauxel für alle Menschen in unserer Gesellschaft zugänglich ist. Daher investieren wir auch weiterhin in den barrierefreien Ausbau der Haltestellen in unserer Stadt.
Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen, die wir gemeinsam mit Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft angehen müssen. Dieser gemeinsame Kraftakt wird vor allem eins: er wird teuer. Aber wir dürfen nicht vergessen: Studie um Studie belegen: Dem Klimaschutz nicht mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, ist am Ende immer noch teurer – und genau das muss unsere Maxime sein.
Wir sagen klipp und klar: Klimaschutz ist keine Option, sondern unser aller Pflicht – und das muss sich auch endlich in der Rechtslage widerspiegeln. Notwendige Klimaschutzmaßnahmen müssen endlich kommunale Pflichtaufgabe werden.
In der Zwischenzeit müssen wir vor Ort alles uns Mögliche tun, um voran zu kommen. Dieser Haushalt und seine Maßnahmen sind ein Anfang – nicht weniger aber auch nicht mehr. Um die Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 zu erreichen, werden wir alle uns mehr ins Zeug legen müssen – das gilt auch für Castrop-Rauxel, für Politik und insbesondere für die Verwaltung und die Kommunalaufsicht.
Auf den Bereich Bildung geschaut ist klar: Wer in Zeiten knapper Kassen anfängt, bei der Bildung zu sparen, der gefährdet die Zukunft unserer Kinder und unserer gesamten Stadtgesellschaft. Bildung ist ebenfalls keine Option, sie ist eine Notwendigkeit, sie ist das Fundament für Chancengleichheit, Teilhabe und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit. Maßnahmen, die den Ausbau der Offenen Ganztagsschulen (OGS) vorantreiben, die Kapazitäten an unseren Schulen an den steigenden Bedarf anpassen oder die digitale Ausstattung verbessern, sind für uns GRÜNE unerlässlich.
- Über die Laufzeit dieses Doppelhaushalts investiert die Stadt Castrop-Rauxel erheblich in den Ausbau der OGS-Plätze. Angesichts des Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz ab 2026 ist es unsere Verantwortung, spätestens jetzt die Weichen dafür zu stellen, dass jedes Kind, unabhängig vom Einkommen seiner Eltern, die bestmögliche Betreuung und Förderung erhält. Ein flächendeckendes und hochwertiges OGS-Angebot bedeutet nicht nur mehr Bildungsgerechtigkeit, sondern auch eine echte Entlastung für Familien und eine Stärkung des Arbeitsmarktes, da Eltern Beruf und Familie besser vereinbaren können.
- Auch die digitale Ausstattung unserer Schulen bleibt ein zentrales Thema. In den kommenden zwei Jahren investieren wir eine Million Euro in die Bereitstellung moderner digitaler Endgeräte. Und das ist richtig, denn Bildung darf im 21. Jahrhundert nicht an veralteter Technik oder mangelnder Ausstattung scheitern. Kinder und Jugendliche müssen frühzeitig lernen, digitale Werkzeuge souverän zu nutzen – digitale Kompetenz ist längst eine Schlüsselqualifikation für den Arbeitsmarkt und die gesellschaftliche Teilhabe.
- Neben der Ausstattung spielt auch die bauliche Qualität unserer Schulen eine entscheidende Rolle. Der Haushalt ebnet den Weg für den dringend notwendigen Neubau der Pavillons am Ernst-Barlach-Gymnasium und sichert gleichzeitig den Aufbau und die moderne Ausstattung der Neuen Gesamtschule Ickern. Unsere Schulen müssen Orte sein, an denen Kinder nicht nur lernen, sondern sich auch wohlfühlen und bestmöglich auf ihre Zukunft vorbereitet werden.
Dieser Haushalt steht auch für das Motto „Zusammenhalt stärken, trotz knapper Mittel“. Soziale Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Zusammenhalt dürfen nicht von der finanziellen Lage unserer Stadt abhängig sein. Auch wenn der vorliegende Haushalt wenig Spielraum für große neue Investitionen lässt, werden klare Schwerpunkte gesetzt, um Castrop-Rauxel als eine Stadt des Miteinanders weiterzuentwickeln.
Ein wichtiger Baustein ist dabei die Weiterentwicklung der Quartiersarbeit. Die Erfahrungen aus dem Projekt „Zusammen im Quartier“ haben gezeigt, dass niedrigschwellige soziale Angebote vor Ort entscheidend für eine starke Nachbarschaft, gute Teilhabechancen und den Zusammenhalt in unserer Stadt sind. Deshalb wollen wir auch in Zukunft sozialraumorientierte Projekte unterstützen, die Menschen zusammenbringen, Anlaufstellen im Quartier schaffen und soziale Ungleichheiten abbauen.
Ein weiterer zentraler Schritt ist die Einrichtung des neuen „Büros für Demokratie und Integration“ innerhalb der Stabsstelle „Bildung, Vielfalt und Teilhabe“. In Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung ist es wichtiger denn je, aktiv für eine offene, tolerante, vielfältige, demokratische und inklusive Stadtgesellschaft einzutreten. Mit diesem neuen Schwerpunkt setzen wir ein klares Zeichen: Castrop-Rauxel ist eine Stadt, in der sich alle Menschen – unabhängig von Herkunft, Alter oder sozialem Status – gleichermaßen einbringen und entfalten können.
Darüber hinaus wird 2025 ein neuer Sozialbericht erstellt, der insbesondere die Lebenssituation von Seniorinnen und Senioren in den Fokus rückt. Eine alternde Stadtgesellschaft stellt uns vor Herausforderungen, aber auch vor Chancen. Wir müssen sicherstellen, dass ältere Menschen gut in unsere Stadt eingebunden bleiben – sei es durch barrierefreie Infrastruktur, soziale Begegnungsorte oder passgenaue Unterstützungsangebote. Dieser Sozialbericht wird uns eine fundierte Grundlage liefern, um in den kommenden Jahren gezielte Maßnahmen zu ergreifen.
Ja, die finanziellen Möglichkeiten sind begrenzt. Doch soziale Gerechtigkeit braucht nicht nur große Budgets – sie braucht politischen Willen, kluge Konzepte und den Mut, auch mit wenigen Mitteln viel zu bewirken. Genau das tun wir mit diesem Haushalt.
Wir Grünen wissen um unsere Verantwortung für die Kommunalfinanzen. Gemeinsam mit unserem Koalitionspartner SPD bilden wir die Ratsmehrheit und werden diesem Haushalt zustimmen. Wir stehen zu unserer Verantwortung, auch wenn wir die unzureichende finanzielle Ausstattung durch Bund und Land NRW scharf kritisieren.
Die finanzielle Misere, in der wir uns befinden, ist nicht das Resultat von massiver Misswirtschaft oder übermäßigen Ausgaben. Wir leben nicht über unsere Verhältnisse – wir wurden in diese Lage gebracht! Seit Jahren kämpfen Kommunen in NRW mit massiven strukturellen Finanzproblemen, weil Bund und Land in der Vergangenheit immer neue Aufgaben übertragen haben, ohne sie angemessen zu finanzieren.
Meine Damen und Herren, trotz aller finanziellen Zwänge setzen wir gezielt Prioritäten, die eine grüne Handschrift tragen: Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung.
Ein großes Problem bleibt die finanzielle Belastung durch die nicht genehmigungsfähige Haushaltssicherung. Dies führt dazu, dass unsere Stadt kaum Spielräume für freiwillige Leistungen hat – sei es in der Kulturförderung, im Sozialbereich oder in der Unterstützung der Vereine, die das gesellschaftliche Leben in Castrop-Rauxel maßgeblich prägen. Die Kommunalaufsicht muss hier realistische Maßstäbe anlegen und darf uns nicht in eine finanzielle Sackgasse manövrieren.
Die Bundesregierung hatte einen Referentenentwurf zur Einrichtung eines kommunalen Altschuldenfonds vorgelegt. Die heute von uns miteingebrachte Resolution bezieht sich darauf. Bedauerlicherweise scheiterten die nächsten Schritte am Willen der Bundes CDU, zur Altschuldenlösung für die Kommunen der notwendigen Grundgesetzänderung noch vor der Bundestagswahl zuzustimmen. Damit finden wir wohl leider zunächst keine tragfähige und vor allem langfristige Lösung für die finanzielle Lage der Kommunen. Es braucht aber eine grundlegende Finanzreform, um das Funktionieren der Kommunen dauerhaft sicherzustellen. Eine auskömmliche Finanzierung der Kommunen ist keine freiwillige Leistung, sondern eine Notwendigkeit für eine funktionierende Demokratie vor Ort. Wir fordern daher die örtlichen Abgeordneten im Bund auf, sich mit aller Kraft für eine Lösung dieser Problematik einzusetzen. Da die von CDU und FDP eingebrachte Resolution im Grunde vergleichbare Ziele verfolgt, werden wir auch ihr zustimmen.
Abschließend bleibt festzuhalten:
Dieser Haushalt zeigt, dass wir mit aller Kraft um unsere Handlungsfähigkeit kämpfen müssen.
Wir müssen klare Prioritäten setzen: Klimaschutz, Bildung, soziale Gerechtigkeit im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung.
Wir werden als Fraktion Bündnis90/Die Grünen diesem Haushalt zustimmen, weil wir Verantwortung für unsere Stadt übernehmen.
Und wir werden die Verwaltung eng dabei begleiten, ihre Arbeit an den von mir genannten Prioritäten zu orientieren.
Gleichzeitig fordern wir die Landes- und Bundesregierung auf, endlich eine faire Finanzverteilung zu schaffen, damit Kommunen wie Castrop-Rauxel nicht weiter am finanziellen Abgrund stehen.
Zuletzt: Vielen Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, die an diesem Haushalt mitgearbeitet haben und ein ganz besonderer Dank geht an das Team der Kämmerei um Herrn Brenk und Herrn Eckhardt.
Ihnen und Euch liebe Kolleginnen und Kollegen danke ich für die Aufmerksamkeit.
Nachsatz:
Übersicht über die bisher bei uns veröffentlichten Haushaltsreden (die Videos sind von der Stadt Castrop-Rauxel und nur zeitlich begrenzt abrufbar):
- Haushaltsrede von Andreas Kemna (Die PARTEI/Die FRAKTION): Artikel | Video
- Haushaltsrede von Holger Schelte (Bündnis 90/Die Grünen): Artikel | Video
- Haushaltsrede von Nils Bettinger (FDP): Artikel | Video
Alle vorliegenden Haushaltsreden beziehen sich auf den von Bürgermeister Rajko Kravanja eingebrachten Haushalt. Die dazugehörige Rede des Bürgermeisters ist auf Youtube abrufbar.
- Quelle(n): CASNews
Autor

Nils Bettinger
Gründer und Redaktionsleiter.
Hält den Kopf für alles hin.
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